Berlin d 7t. Aug. 8.

Liebe einzige Jette in Prenzlow konnte ich gar nicht zum Schreiben kommen, und es lag mir nicht genug daran um es zu erzwingen. Was hättest du sonderliches von ein Paar flüchtigen Zeilen gehabt die Dir nichts sagen konnten als daß wir bis so weit glüklich gekommen waren, woran Du doch ohnedies nicht zweifeln durftest. Nun sind wir seit Freitag Abend um 5 Uhr wieder hier, und wiewol ich noch nicht wieder gearbeitet habe hoffe ich doch daß ich Morgen oder spätestens Uebermorgen recht gründlich hineinkommen werde. Wundere Dich nicht liebes Herz daß ich gerade mit dieser Nachricht anfange; sie ist mir das wichtigste für mein Wolbefinden hier, welches nur auf tüchtiger Arbeit ruhen kann. Die Dreifaltigkeitskirche gehörte zu dem ersten was ich deutlich unterscheiden konnte von Berlin und so lag mir gleich recht tröstlich das schöne Ziel vor Augen wohin ich nun zunächst zu streben habe. Einen einzigen Augenblik kurz vor der Stadt ergriff mich ein ängstliches Gefühl als ob es mir doch fast unmöglich sein würde hier zu leben; aber es ging wol nur auf meinen nächsten Zustand hier denn ich konnte mir doch hernach mit großer Zuversicht den künftigen ausmalen und Dein liebes Bild mit hinein verwe | 10vben. Merkwürdig war es mir auch, nun so gestimt und mit solcher Hofnung im Herzen zum Oranienburger Thore hineinzufahren zu dem ich sonst so unzählig oft hineingewandert bin von  Schleiermacher warb um die in unglücklicher Ehe lebende Eleonore Christiane Grunow, sie entschied sich jedoch am Ende für ein Leben mit ihrem Mann. [Schließen] Leonoren kommend mit vieler Liebe im Herzen aber doch nie ganz ruhig. Störendes war mir nichts in der Erinnerung; denn die erste doch nur leise Schuld abgerechnet die ich hart genug gebüßt habe fühle ich mich rein. Ich habe alles gethan an der schweren Aufgabe Leonoren ganz mit sich und dem Leben zu versöhnen, ich wußte es immer daß es an einem Häärchen hing ob sie mir gelingen würde oder nicht, und stehe nun schon lange über dem Mißlingen, wiewol ich den Untergang des herrlichen Geschöpfes innig bedaure. Gott sei Dank der mir nun Dich gegeben hat, und die Hofnung auf das schöne Leben das wir uns noch bereiten wollen, und die herrliche Ruhe die unsern Bund trägt und hält, und mir zum Ersaz gegeben ist für jene zerstörende Spannung, und die Sicherheit daß es das Schönste und Beste ist was sich so rein und gleichmäßig in uns gebildet hat. Laß Dich umarmen recht zärtlich und dankbar Du süße geliebte Braut und sei recht ganz mein und hoffe auf schöne Erfüllung ohne Furcht oder Sorge denn es wird alles gut gehn.   Vgl. Brief 2780. [Schließen]Meiner lieben Schwester Lotte habe ich gestern mit ein Paar Worten mein Glükk gemeldet. Ist es Dir so ums Herz so schikke | 11 mir bald einmal ein Paar freundliche Worte für sie das wird ihr große Freude machen.

Viel Liebe und Vertrauen ist mir hier entgegen gekommen, auch schon in dieser kurzen Zeit von neuen und merkwürdigen Seiten; und was ich geweissagt habe daß diesen Winter noch große Verwirrungen in Deutschland losgehn würden, davon sehe ich schon mehrere bedeutende Vorzeichen seit ich hier bin, und es bewegt mich nun noch mehr und schöner was ich Dir schon als etwas erfreuliches sagte daß unser Schiksal recht verwebt ist in das des Vaterlandes. Und sollte es geschehen, was ich freilich nicht absehe aber was doch kommen kann, daß ich mitten in diesen Verwirrungen befangen bin so sei nur recht  lies: guten [Schließen]gutes Muthes und denke daß Vaterland Du und die Kinder meine Losung sind. Aber laß uns ja recht fleißig schreiben so lange es noch geht, damit wenn die Entbehrung anfängt wir schon eine kleine Sammlung haben von Denkmälern aus dieser neuen Zeit unseres Vereins. Es ist Dir doch noch immer recht wohl? so wohl so sicher und glüklich als mir? Herzliebste Jette, ich weiß es kann ja nicht anders sein denn es ist in Dir ganz dasselbe und auf dieselbe Weise geworden, wie in mir; aber sage es mir doch immer es freut mich gar zu sehr. Denke auch fleißig aller lieben süßen Augenblikke die diese schöne Zeit uns so reichlich gegeben hat und laß sie uns fortsezen so gut wir es in der Trennung vermögen. Jedes liebe Wort ist mir ein Kuß, und bei jedem Erguß | 11v Deines Gemüthes sehe ich deine liebevolle zärtliche Brust sich heben und höre Dein frommes treues Herz schlagen.

In Stralsund war ich noch an   Johann Ehrenfried Theodor von Willich  [Schließen] Ehrenfrieds Grabe und reichte ihm in schöner Zuversicht in die andere Welt hinein die brüderliche Hand zum neuen Bunde; sein Geist ist gewiß mit uns. Aber ist es irgend möglich, das heißt nur nicht verboten, so besorgt Friederike (die mir übrigens auch etwas zu ahnden scheint von uns) den Grabstein, sonst wird uns die Stätte bald ganz unkenntlich, und das darf nicht sein. – In Milzow waren wir wol eine Stunde frühstükkend und im Garten spazierend und ich sprach viel mit  Wahrscheinlich Pauline Hochwächter, die sich nach Schleiermachers Urteil von den Schwestern Henriette von Willich und Charlotte von Kathen unterschied. [Schließen] Deiner Schwester die freilich von Euch Beiden ganz verschieden ist aber doch ein recht erfreuliches lebendiges Wesen hat ; ich wünsche daß ich keinen unangenehmen Eindruk auf sie möge gemacht haben;  wahrscheinlich Chistoph Ludwig v. Hofwächter [Schließen] seiner Satire werde ich freilich wol auf mancherlei Weise nicht entgehen. Auch bei Johanna in Prenzlau war ich viel und fand sie besonnener als sonst und ganz in ihren Kindern lebend. Sie sprach mit inniger Rührung von Ehrenfried und mit großem Interesse fragte sie nach Dir. Sie sagte ein zu großes Gemisch von Empfindungen hätte es ihr unmöglich gemacht Dich zu sehen, sie hätte sich gescheuet ihre Augen aufzuschlagen gegen dich –

Grüße und herze die Kinder von mir an denen meine ganze Seele hängt, und unserer lieben lieben   Sophie Schlichtkrull  [Schließen] Sophie sage recht viel herzliches und liebes von ihrem neuen Bruder. Gott behüte und segne Dich mein liebes theures Kind, und wisse nur daß ich immerfort bei Dir bin im Geist.   Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nannys schwesterlichen Gruß.

Dein Ernst.

Zitierhinweis

2782: An Henriette von Willich. Berlin, Sonntag, 7. 8. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006611 (Stand: 26.7.2022)

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