Kgb d 8t. Sept 8.
An Jettchen No 8.
Ich schreibe an unsere große Henriette Herz; ob dieser Brief tatsächlich beendet und abgeschickt wurde, ist fragwürdig, da Schleiermacher weder im Tageskalender den Briefausgang vermerkt, noch ein Brief in der Zählung der Briefe fehlt. [Schließen] Jette und muß Dir meine süße einzige doch wenigstens ein Blättchen beilegen[.] Ich wollte ich könnte es mit lauter zärtlichsten Liebkosungen anfüllen aber die müssen sich alle versparen auf die süße Gegenwart. Weißt Du denn recht wie Du mein erster Gedanke bist und mein lezter? wie ich mich auf Dich freue wenn ich aufwache, und mit Dir einschlafe aber wunderbarerweise ohne jemals von Dir zu träumen. Ich träumte auch von Eleonore Grunow, Frau des August Christian Wilhelm Grunow , Schleiermachers große Liebe vor Henriette von Willich, die er vergebens zum Austritt aus ihrer Ehe mit Grunow zu bewegen versuchte. [Schließen] Leonore nicht; nur seitdem wir uns getrennt haben ist es mir ein Paarmal wiederfahren. Doch wünschte ich mir auch von Dir zu träumen, und so willkommen soll mir der erste Traum sein daß ich Dir gewiß davon schreibe. Dann sehne ich mich auch den ganzen Tag nach Dir; aber nie, nie fällt mir auch nur ein Schatten von Zweifel ein, es kann die schöne Zeit nicht kommen; sondern ganz gewiß bin ich ihrer und mahle sie was uns selbst betrift aufs herrlichste aus. Nur die äußeren Umgebungen bleiben unausgemalt weil mir die nicht sicher genug sind, und gegen die Kanonierstraße stoßen mir noch bisweilen Zweifel auf, auch habe ich das Haus noch immer nicht gesehen. Sei Du also nur auch ganz fest und sicher, und thue mir das nicht wieder daß Du etwas zerreißest oder glaubst es sei nicht Zeit von irgend etwas schönem oder lieblichem zu reden. Möchte ich doch alles wissen was Du denkst und fühlst was Dein liebendes Herz und Deine frohe Fantasie Dir eingeben. Und singe nur fleißig immer für mich mit, das sollst Du auch in Zukunft. Sei auch nicht zu besorgt | 22v im Schreiben. Wenn ein Brief mit Liebe anfängt und endigt lesen die Leute gewiß nicht weit in die Mitte hinein.
Sachanmerkung:
Soll ... ängstliche Besorgniß.] Vgl. Brief
2801,
3 – 40.
ist] Konj.: bist
[Schließen]Soll ich mir denn Vorwürfe machen über die Angst die ich Dir gemacht
habe mein süßes Herz? Es wäre ja doch treulos
gewesen Dich nichts merken zu lassen von
dem was mich so gewaltig bewegt, und wobei ja Du
immer mit meine Losung ist, und die unmittelbare Wirkung konnte doch
keine andere sein als ängstliche Besorgniß. Und wie herrlich zeigt sich auch darin Deine Liebe.
Jette es ist köstlich daß Du so mein bist. Ach bleibe es
nur immer; aber wenn es Dir übergeht oder wenn Du Zweifel
bekommst so sage es nur gleich. Wie herrlich ist es, daß Du nun gern
gleich kommen möchtest, wie danke ich Dir das; und glaube
nur wenn es
irgend eine Möglichkeit ist mache ich Anstalt aber ich
fürchte ich werde bis zum Frühjahr nur einiger Wochen
sicher sein können.
Dein lezter Gedanke bin ich doch auch, ehe Du einschlummerst das lezte verschwindende Bewußtsein? Der erste zu sein mache ich keinen Anspruch denn wenn Du erwachst habe ich über den ursprünglichen Text geschriebenhast Du gleich unsere süßen Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kinder um Dich und lebst für sie. Aber Du denkst dann doch wol bei ihnen an mich, und freust Dich daß Du mir ein so großes holdes Geschenk bringen konntest und daß ich nun ganz ihr Vater sein kann den süssen kleinen Wesen die sich so mein ganzes Herz zugeeignet haben. Lebewol meine süße geliebte Braut ich segne Dich und umarme Dich, ich gieße meine Sehnsucht in Küssen aus, und mit Augen und Lippen flöße ich Dir Muth ein und Ruhe. Ich bin Dein und Du sollst mich haben ein langes schönes Leben durch. Nur eine kleine Weile, schnell wird in ihren kräftigen Bewegungen die Zeit vergehn. Gott sei mit Dir und unsern Kindern und allen unsern Lieben.
Ernst.Zitierhinweis
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