Halle den 16ten Feb 8.

Mancherlei hätte ich Ihnen wohl diesmal zu schreiben, mein theuerster Schleiermacher, es ist aber darunter wenig Gutes und wenig von Bedeutung, denn das Schlechte und das Geringfügige, mit so vielen Ansprüchen es auch auftritt ist ja leider an der Tagesordnung. Alle Tage kommen schöne Dekrete von Cassel, voll der väterlichsten Gesinnungen nur schade daß das Wenige was geschieht diesen Charakter gar nicht an sich trägt. Die Universität ist hergestellt d.h. vorläufig in ihrem durchaus verkrüppeltem Zustande, ihrem Schiksal hingegeben, an neuen Einrichtungen, an Besetzung der so vielen vakanten Stellen wird nicht gedacht. Daß D Vater zum Bibliothekar ernannt sei ist zur Zeit noch falsch, daß man aber an die Wahl eines Bibliothek ars denkt ist richtig. Niemeyer giebt sich Mühe äußerlich ruhig und voll guter Hofnungen zu scheinen ist aber gewaltig verstimmt und lebt sehr zurükgezogen. Die Art wie er vom Jollivet nach seiner Ernennung zum Kanzler aufgenommen worden, das persifflirende Compliment über den künftigen Glanz der Universität, und der gute Rath den er ihm bei dieser Audienz ertheilt es besonders den | 20v jungen Leuten nicht an jolies filles (sic) fehlen zu lassen, mögen ihn wohl etwas verstimmt haben. D Knapp war vorige Woche in LebensGefahr, ein Gallenfieber hat ihn hart mitgenommen, er bessert sich jedoch wieder. Das einzige was der Universität noch gute Hofnungen geben könnte ist daß Johannes Müller als Staats-Rath die Aufsicht über alle gelehrte Anstalten des Landes erhalten hat. –

Unser   Johann August Wilhelm Frantz [Schließen]Prefekt Franz scheint ein tüchtiger thätiger Mann zu sein, er ist nur zur Zeit noch etwas unsichtbar weil er mit Geschäften überhäuft ist. Ich habe ihn einmal gesprochen und bin mit seinem Benehmen besonders mit der Offenheit womit er über die öffentlichen Angelegenheiten sprach sehr zufrieden. Uebrigens ist hier noch jedermann in der peinlichsten Ungewisheit über die Veränderungen die so manchen Ständen bevorstehen, vorläufig bleibt noch alles auf dem alten Fuß bis zum Juni. Eine Maasregel womit man hier sehr unzufrieden ist, ist die Herabsetzung der preußischen Münze, der Groschen gilt nur 8 Pfennige in den Kassen, und da für den Handel und das gemeine Leben nichts vorgeschrieben ist so erlauben sich Krämer und andres Volk die schändlichsten Uebertheurungen. Für den Januar sind die Gehalts | 21Zahlungen noch suspendirt ich weiß daher nicht ob die Kassen den Groschen zu 8  d ist die Abkürzung für Pfennig (dezi). [Schließen]d oder für voll wieder ausgeben werden. Aus Furcht die Münze möchte ganz abgesetzt werden habe ich in der Eil bezahlt so viel sich thun ließ, der Schneider der Buchbinder, und der Organist Wather(?) sind bezahlt, auch hat der Tischler 5 r. auf Abschlag erhalten, dies beträgt bis auf wenige Groschen, was ich noch für Sie in Kasse hatte. Dabei fällt mir ein daß ich bei Reimer noch eine Schuld habe, ich weiß nicht wie viel sie beträgt, ich glaubte aber das Kürzeste wäre wenn Sie die Gefälligkeit haben wollten sie zu übernehmen. Ich komme nun auf eine sehr traurige Nachricht, vor ungefähr 9 Wochen hat  Marcus Phillip Ludwig de Obern (O’Bern) [Schließen]mein guter College einen so heftigen Anfall von Brustkrampf gehabt daß man glaubte er würde die Nacht selbst noch sterben. Er hat sich indessen wieder etwas erhohlt, und nach der Aussage des Arztes kann er noch lange leiden ohne Hofnung zu Besserung, indem sich deutliche Spuren der Brust und Bauch Wassersucht zeigen. Dies ist mir in jeder Hinsicht äußerst unangenehm, wäre er gesund oder todt, so könnte ich den günstigen Zeitpunkt benutzen und für das künftige Schiksal unserer Gemeine entscheidende Schritte thun, so aber hält mich die Furcht zurück, bei der Schwierigkeit sich mit einem kranken tauben Manne | 21v zu verständigen,   lies: ihm  [Schließen]ihn die letzten Augenblike seines Lebens zu verbittern. Schäffer hat endlich seine Bestallung, und man ist nun täthig Rienäcker als zweiten Prediger von der Regierung bestätigen zu lassen.

 Vgl. Brief 2600, KGA V/10 Blancs an Schleiermacher vom 2. 1. 1808, der die schwere Krankheit von Frau Dohlhoff anzeigt.  [Schließen] Die Dohlhoff hat sich gegen alle Erwartungen vollkommen gebessert und ist heiterer als je.

Es freut mich Sie so ganz wieder in dem gewohnten Geschäfts Kreise zu wissen, nur thut es mir leid auf das Vergnügen Sie bald wieder einmal zu sehn bei den jetzigen Umständen, so bestimmt Verzicht leisten zu müssen. Ist es aber nicht abscheulich, daß man, die wenigen Zeilen an Briefen abgerechnet, gar nichts von Ihnen sieht?  Die bereits 1807 geschriebene Rezension Schleiermachers zu Sacks Schrift „Ein Wort der Ermunterung an meine Mitbürger und insbesondere an die Mitglieder der Oberpfarr- und Dom-Gemeinde in Berlin“ (1807), (vgl. „Historische Einleitung“, in: KGA I/5, S. CXXIII) erschien erst 1813 in: JALZ Ergänzungsblätter, 1. Jg., Bd.2 (1813), Nr. 67, Sp. 135 f., KGA I/5, S. 243–248. [Schließen]Keine Predigten, keine kleine Schrift, nicht einmal die Rezension der Sackschen Schrift oder sie müßte mir entgangen sein. Aus Verzweifelung darüber habe ich mir alles Aeltere von Ihnen was mir noch fehlte angeschaft.  Bei den Heften handelt es sich um eventuelle Nachschriften von Friedrich Schleiermachers Vorlesungen zur philosophischen Ethik und zur christlichen Sittenlehre sowie seine Vorlesungen zur Dogmatik.  [Schließen]Wenn Sie je von einem guten Hefte über Ethik sowohl wissenschaftliche als christliche , und über Dogmatik hören so können Sie mir keinen größeren Dienst erweisen als wenn Sie mir um jeden Preis eine leserliche Abschrift davon verschafften. –

Der Vien (?) ist mein Schüler auf dem Gymnasium gewesen, er ist gewis kein übler Kopf aber er hatte sich in allerhand Eitelkeiten geworfen | 22 es ist mir daher doppelt lieb daß er bei Ihnen hört, von dem Matthias Favier weiß ich aber kein Wort, so wenig als von seinem Hofmeister. Wie gefällt Ihnen der Chamisso ? Das ist gewis eine treue Seele wenn je eine war.

Ihre Grüße sind alle richtig bestellt und mit vieler Freude empfangen worden.

Vgl. Brief *2619.

Dafür bitte ich Sie aber auch recht sehr der guten   Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nanny meinen herzlichen Dank zu sagen dafür daß sie meiner in ihren Briefen an  Caroline Wucherer  [Schließen] Caroline mehrmals gedacht hat, ob sie sich denn wohl etwas mit Berlin ausgesöhnt hat? Dohlhoff grüßt Sie herzlich, auch von Konopack soll ich Sie grüßen aber auch schelten daß Sie ihm noch gar nicht geschrieben und hinzusetzen daß er diese Faulheit gar nicht göttlich fände. Er wird zu Ostern auf einige Tage herkommen in dem er einen jungen Menschen von dort her aufs Pädagogium bringt. Seine äußere Lage scheint ganz erträglich zu sein. – Ich grüße herzlich Reimers . Harscher der mir wohl schon wieder sollte geschrieben haben und Chamisso dem ich nächstens zu schreiben gedenke. Sie aber besonders bitte ich nicht zu vergessen Ihres verlassenen Blanc

Zitierhinweis

2636: Von Ludwig Gottfried Blanc. Halle, Dienstag, 16. 2. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006465 (Stand: 26.7.2022)

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