Stralsund den 7ten Ap. 1808.

 Vgl. Brief *2674. [Schließen]Ich habe mich Ihres Briefes mein theurer Freund so herzlich gefreut, und so innig mich gefreut daß ich Sie habe und daß ich Sie meinen Freund nennen kann und darf. Mir ist so eben eine ruhige Stunde und ich kann sie nicht hingehen lassen ohne Ihnen dies zu sagen, oder  korr. v. Hg. aus: veielmehrvielmehr ich muß Sie durch meine augenblickliche Antwort überzeugen wie sehr Ihr lieber Brief zu meinem Herzen gesprochen und wie so ganz ich Sie darin verstehe.

Ihre Freundin Herz hat mir auch diesen Morgen geschrieben und mir ihren Besuch auf den 14ten oder 15ten versprochen. Sie können leicht denken wie lieb mir diese Aussicht ist. Zugleich aber bin ich doch etwas zaghaft und ängstlich dabej, es geht mir immer so mit neuen Bekanntschaften dieser Art, wo ich das Übergewicht des Geistes schon im Voraus weiß, da fühle ich eine gewisse Beschränkung die mir meine sonst natürliche Freiheit und Unbefangenheit nimmt. Mit meinem Herzen wage ich allenfalls in die Schranken zu treten, und wenn ich mir erst | 14v es recht kräftig gesagt habe daß (meiner Ansicht nach) das Herz die eigentliche Quelle im Menschen ist und der Geist nur daraus schöpft und wirkt, so bin ich zufrieden und die Überzeugung daß Niemand das Gute kräftiger als ich wollen kann, macht daß ich nach diesem Siege über mich selbst mit Unbefangenheit die Überlegenheit des Geistes Anderer, ertragen kann. Ich weiß das erste Zusammentreffen mit Ihrer Freundin wird mich wenn auch nicht grade verlegen, doch befangen machen, verschwindet dies späterhin, so sage ich ihr dann die Ursache wie ich das immer zu thun gewohnt bin.

Sie mein theurer Freund sind der Einzige dessen erste Nähe mich ganz frei ließ, wie etwas das in Ihrem Auge lag und das mächtig bejm ersten Blick zu mir hinein drang wischte jede Befangenheit auf einmal hinweg ich liebte Sie gleich und so war jede Furcht verschwunden. Jetzt mein lieber Freund habe ich noch eine Bitte an Sie, die ich zwar jeden andern meiner Bekannten in Berlin auftragen könnte, aber doch durchaus nur meinem einzigen Freund dort, auftragen will, und darum auch werden Sie | 15 sie gewiß erfüllen.

Mein Leben in der Musik kennen Sie, aber Sie wissen vielleicht noch nicht daß ich außer dem Klavier auch etwas Harfe spiele. Lange habe ich die Harfe nur als Nebeninstrument behandelt, seit einiger Zeit aber ist mir eine unendliche Liebe dafür gekommen, die süßen Töne reden kräftiger, oder wenigstens wohlthätiger zu meinem Herzen, und so ist sie entschieden mein Lieblingsinstrument jetzt. Ich singe ein wenig d.h. wenn ich ganz allein bin, und leichte Lieder, um diese Neigung noch schöner zu befriedigen habe ich ein wenig die italiänische Sprache studiert, jedes Wort darin ist schon durch sich selbst ein Ton, sie ist Musik und gehört also auch der Musik. Nun bitte ich Sie mein lieber Freund schicken Sie mir einige Hefte italiänischer Lieder für die Harfe, wählen Sie durchaus ganz nach Ihrem Geschmack, so werden Sie auch den meinigen treffen. Die Hauptsache ist jedoch (und diese müssen Sie ja nicht vergessen) daß ich nur eine Haken- und keine Pedal-Harfe habe. Hierüber müssen Sie wohl einen Künstler zu Rath ziehen | 15v der das Instrument kennt, denn der Unterschied ist gar groß. Auch müssen es nur kleine Lieder seyn denn ich singe gar wenig. Finden Sie wohl 2 oder 3 solche Hefte die Ihnen gefallen, so nehme ich sie gerne alle, und mit dem  korr. v. Hg. aus: waßwas Ihnen von allem das liebste ist, müssen Sie mir ein Geschenk machen und mir es darauf schreiben daß es Ihr Geschenk ist, sehen Sie wie unverschämt ich bin. Obgleich ich gerne noch andere Sachen für die Harfe hätte, so will ich doch Sie damit nicht belästigen, sondern nur Sie noch um ein Heft italiänischer Lieder mit Begleitung des Klaviers, bitten, diese bestimme ich zum Geschenk für eine sehr sehr theure Freundin, deren Bekanntschaft ich nur nach Ihrem Hierseyn gemacht. Sie ist durchaus Virtuosin in der Musik und bringt den Sommer immer aufs Land zu. Diese Lieder sollen für dies Jahr mein Abschiedsgeschenk seyn und daher möchte ich schon auch das äußere ein wenig elegant haben. Da meine Freundin in 4 Wochen schon reißt, und ich so gerne alle die kleinen Lieder für die Harfe noch von ihr vorher recht oft und viel hören möchte, so kann ich Ihnen nur höchstens 8 Tage Zeit zur Auswahl lassen ja 8 Tage | 16 ist wahrlich das äußerste. Und dann lieber Freund müssen Sie mir ja lauter recht neue Sachen schicken denn unter den älteren könnte sich leicht  korr. v. Hg. aus: waßwas bekanntes finden, und Sie wissen Selbst in der Musik reitzt das neue mehr wie das alte.

Werden Sie auch ungeduldig über mein vieles bittet? oder wird  korr. v. Hg. aus: daßdas mich entschuldigen daß ich nur von Ihnen meinen Wunsch erfüllt sehen wollte?

Leben Sie herzlich wohl. Ich erwarte nun die Musik von Ihnen, und dann schreibe ich Ihnen sogleich, dann habe ich auch Ihre Freundin schon gesehen.

Ihre Lotte

Zitierhinweis

2679: Von Charlotte Cummerow. Stralsund, Donnerstag, 7. 4. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006508 (Stand: 26.7.2022)

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