Freitag d 9t. Sept. 8.

 Laut Schleiermachers Tageskalender war am Dienstag Duisburg zu Besuch. [Schließen]Lezten Posttag liebste Nanny wurde ich durch einen unerwarteten sehr lieben Besuch am Schreiben an Dich gänzlich gehindert weil ich es leider bis auf den lezten Morgen verspart hatte, wie ich denn überhaupt hier fast zu gar nichts komme. Du Arme wie  Vgl. Brief *2813 von Anne (Nanny) Schleiermacher und Brief 2803 von Henriette Charlotte Sophie von Willich. [Schließen] Nun hat mich Gestern Dein Zettelchen was aber ganz ohne Datum ist, wahrscheinlich vom Sonnabend, mit dem Briefe von Jettchen überrascht. Du Arme wie bedaure ich Dich daß Dir gleich solche Unannehmlichkeiten gekommen sind nach meiner Abreise. Mit den Franzosen das ist noch gnädig abgegangen aber Christianens Krankheit ist mir fatal und sogar ängstlich weil Du mir zulezt zwar mit ein Paar Worten schreibst es ginge besser aber gar nicht ob es wirklich die Ruhr geworden ist oder nicht. Ich bitte Dich um Gottes willen hüte Dich nur ja vor Anstekkung bei dieser höchst fatalen Krankheit. Ist sie es so hoffe ich wird der Arzt Dir die nöthigen Vorsichtsmaaßregeln gesagt haben befolge sie nur ja genau; Und eben so sehr fast wünsche ich daß Du deswegen nicht zu viel magst in der Stadt geblieben sein, sonst | 5v muß dir ja die Zeit ganz unerträglich werden unterdeß ich hier in lauter Lust und Saus und Braus lebe. Diesen Vormittag soll ich nun gar zur Königin kommen, ich fürchte aber es wird noch dazu vergeblich sein; denn als sie mich bestellen ließ wußte sie noch nicht daß der Erbprinz von Weimar heute früh kommen würde. Viel mache ich mir ohnedies nicht aus dieser Ehre denn es führt zu nichts und verdirbt mir den Vormittag der vielleicht der einzige bequeme war um noch einmal recht gründlich den General Scharnhorst zu sprechen. Theils weil dies nothwendig noch geschehen muß, theils weil ich noch auf Nachricht warte ob ich etwa als Courier oder auf eine vortheilhafte Weise mit einem Courier gehen kann habe ich den Tag meiner Abreise noch nicht genau bestimmen können. Es müßte aber etwas ganz wunderbares dazwischen kommen wenn ich nicht Montag oder Dienstag abreiste und also Freitag oder Sonnabend in Berlin wäre. Müßte dieser Brief nicht heute früh abgehn: so könnte ich Dir gewiß schon das genauere sagen.

Was Du mir von Ludchen schreibst ist freilich traurig aber ihre Unvernunft ist so groß daß durchaus gar nichts dagegen zu machen ist. Wenn eine erwachsene verständige Person in diesem Grade unvernünftig ist so giebt es gar keine Art sie zu behandeln. Was man ihr mit dem größten Ernst und der größten Milde sagen kann das weiß sie ja doch alles selbst eben so gut. Was ich | 6 ihr gesagt, habe ich auch immer nur gesagt um meiner Bitterkeit und meinem Unwillen gegen  über der Zeileüber diese Albernheit Luft zu machen, gar nicht um etwas bei ihr auszurichten. Aber jede andere Art hilft eben so wenig bei einer solchen Hartnäkigkeit. Frage sie nur selbst wie sie wünscht behandelt zu werden und ob sie versprechen will dann Arzenei zu nehmen, und sie wird sich gewiß gar nicht drauf einlassen. Wenn ich aber Herr im Hause wäre so würde ich sie entweder ganz wie ein Kind behandeln und ihr mit Gewalt eingeben lassen oder ich würde sie nach Hause schikken.

Schedens hättest Du doch recht einleuchtend erzählen sollen wie schnell es mit der Reise gekommen ist, es war ja doch gar nichts übel zu nehmen daran bei dieser rasenden Eile, und Du hättest ihm nur sagen sollen bei wem ich alles nicht gewesen bin. Wahrscheinlich wird es mir hier bei der Rükreise eben so gehen denn wenn ich mit Abschiednehmen herumkommen sollte müßte ich heute schon anfangen. Gestern Abend war ich bei Madeweis die sehr freundlich nach Dir fragten. Müffling sagte mir auch er habe gute Nachrichten sowol von der kleinen Emma als von Carolinen die einige Zeit wieder sehr am MagenKrampf gelitten hatte.

Also meinst Du wirklich wir sollen ausziehn ins Canonierhaus? Um des einen Franzosen willen thut es wol eigentlich nicht Noth; das wird  oder: nicht [Schließen]recht oft wiederkommen. Wir wollen es aber recht gründlich überlegen, es hat manches | 6v für, aber auch nicht weniges gegen sich, und ich glaube doch kaum daß vor Ostern daran zu denken ist. Hast Du die Sicherheitskarte erneuern lassen und hast Du an Lotte geschrieben? das sind ein Paar nöthige Dinge, die Du hoffentlich nicht wirst versäumt haben

Dies ist wol unfehlbar das lezte liebe Nanny was Du von mir hörst. Sollte etwas ganz besondres meine Abreise hindern so schreibe ich auf jeden Fall Dienstag noch. Sonst liebes Kind richte darauf ein daß ich in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend oder Sonnabends erst in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag kome. Den Tag über genire Dich aber nur ja nicht, wenn ich nur Christiane finde so will ich Dich dann schon aufsuchen.  Grüße alles recht herzlich und laß es Dir recht wohl gehn.

Dein Ernst

Zitierhinweis

2824: An Anne (Nanny) Schleiermacher. Königsberg, Freitag, 9. 9. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006653 (Stand: 26.7.2022)

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